Statement zur 29. BAfög-Novelle

Datum: 10.09.2024

Ein Staat mit dem Anspruch eines globalen Bildungsvorreiters darf seine Studierenden nicht im Stich lassen!

Zum Wintersemester 24/25 soll die 29. BAföG-Novelle in Kraft treten. Diese beinhaltet einige Neuerung: bei leichter Überschreitung der Regelstudienzeit kann einmalig ein Flexibilitätssemester wahrgenommen werden und auch bei einem Fachrichtungswechsel haben Studierende ein Semester länger Anspruch auf BAföG . Der BAföG Höchstsatz steigt von 934€ auf 992€, das entspricht einer Steigerung um 6,2%. (Bundesministerium für Bildung und Forschung).

Das mag wie eine gute Nachricht erscheinen, aber wie so oft sagen wir: Zu wenig, zu spät!

Bei genauerer Betrachtung ist leicht zu erkennen, dass das BAföG den Unterhalt von Studierenden nicht decken kann: 2021 urteilte das Berliner Bundesverwaltungsgericht, dass der BAföG-Satz 2014 zu niedrig gewesen sei und damit verfassungswidrig ist. Anfang Juni diesen Jahres urteilt Berliner Verwaltungsgericht erneut, dass der Höchstsatz von 861 Euro im Jahre 2021 ebenfalls zu niedrig gewesen sei. Der Fall wird ans Verfassungsgericht weitergereicht(Verwaltungsgericht Berlin). Dieser „evident zu niedrig[e]“ Höchstsatz wird durch die 29. Novelle zwar um 15,21% erhöht, dem gegenüber stehen aber stetig steigende Lebenserhaltungskosten insbesondere Lebensmittel und Wohnkosten (Verbraucherzentrale). Die 29. Novelle sieht eine Wohnkostenpauschale von 380€ vor, Studierende zahlten jedoch im WiSe 23/24 im Schnitt 479€ für ihre Wohnungen. In der Hälfte der deutschen Universitätsstädte ist mit der BAföG-Pauschale kaum ein Zimmer zu finden, die Wartelisten der Wohnheime umfassten Ende 2023 insgesamt 32.000 Studierende, wobei dabei lediglich 11 der 57 Studierendenwerke gezählt wurden. In den 5 zahlenmäßig größten Uni-Städten Deutschlands liegen die Wohnkosten für Studis im SoSe24 im Mittel zwischen 560€ und 670€ (Moses Mendelsohn Institut, Deutsches Studierendenwerk). Nicht nur im Vergleich mit realen Kosten stinkt der BAföG-Höchstsatz ab, auch im Vergleich zu anderen Sozialleistungen. So bleiben den Studierenden bei Annahme einer Miete von 479€ nur 513€ für alle weiteren Ausgaben, das Bürgergeld (welches keine Wohnkosten beinhaltet) liegt momentan bei 563€, ist also um 9,7% höher (Bundes Agentur für Arbeit).

In der Kurzfassung heißt das: Die Wohnkosten in deutschen Uni-Städten steigen rasant und werden vom BAföG-Satz nicht mal annähernd erreicht. Plätze in Wohnheimen sind knapp und mehrere zehntausende Studierende stehen auf Wartelisten.Sowie in der Vergangenheit von mehreren Gerichtsurteilen bestätigt, hinkt der BAföG-Satz auch nach der 29. Novelle weiterhin dem Bürgergeld hinterher.

Auch in Braunschweig spüren wir die Auswirkungen dieser Unterfinanzierung von Studierenden. Die Sozialhilfen des AStA werden immer mehr in Anspruch genommen, Anfragen zur finanziellen Beratung und Unterstützung häufen sich. Besonders bei Fälligkeit des Semesterbeitrags, geraten viele Studierende in Not. Immer wieder müssen sich Studierende verschulden, um sich ein Studium mit BAföG leisten zu können.

Im Jahr 2021 waren 37,9% der Studierenden in Deutschland armutsgefährdet (Statistisches Bundesamt). In Zeiten hoher Inflation und steigender Wohn- und Lebensmittelkosten mag die 29. Novelle ein winziger Schritt in die Richtung sein, ist aber bei weitem nicht in der Lage, Studierende nachhaltig vor Armut zu schützen. Sie erfasst weder die finanzielle Lage noch die Lebenssituation vieler Studierenden in Deutschland. Die durch das Teilhaberecht gesicherten gleichen Bildungschancen für alle sehen wir auch in dieser neuen Novelle nicht erfüllt. Ein Land, welches sich als Bildungs- und Forschungsstandort sieht und einen Anspruch hat, ein globaler Vorreiter in Technik und Innovation zu sein, ein Land, welches sich Chancengleichheit auf die Fahne geschrieben hat, ein Sozialstaat, darf junge Menschen im Studium nicht auf diese Weise vernachlässigen. Wir fordern eine Anpassung des BAföGs, welche den steigenden Miet- und Lebensmittelkosten und der Inflation gerecht wird!


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Quellen:

Pressemitteilung Verwaltungsgericht Berlin
https://www.berlin.de/gerichte/verwaltungsgericht/presse/pressemitteilungen/2024/pressemitteilung.1464494.php

BMBF zur 29. Novelle
https://www.bmbf.de/bmbf/shareddocs/faq/2401-bafoeg.html

Bundesregierung zur 29. Novelle
https://www.bundesregierung.de/breg-de/bundesregierung/gesetzesvorhaben/bafoeg-reform-2024-2257882#tar-2

Pressemitteilung Moses Mendelsohn Institut 
https://cms.moses-mendelssohn-institut.de/uploads/24_03_19_PM_Wohnkosten_Studierende_05e99eb04c.pdf

BAföG Sätze der vergangenen Jahre, Deutsches Studierendenwerk
https://www.studierendenwerke.de/fileadmin/user_upload/BAfoeG_Bedarfssaetze_Herbst_2016__2019_und_2020__2022.pdf

Deutsches Studierendenwerk zu Wohnheim-Plätzen:
https://www.studierendenwerke.de/beitrag/mangelware-bezahlbarer-wohnraum-32000-studierende-auf-wartelisten-bei-elf-studierendenwerken

Bürgergeld, Bundes Agentur für Arbeit
https://www.arbeitsagentur.de/arbeitslos-arbeit-finden/buergergeld/finanziell-absichern/voraussetzungen-einkommen-vermoegen

Studierende an Armutsgrenze, Statistisches Bundesamthttps://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2022/11/PD22_N066_63.html