Redebeitrag zum Jubiläum der Universitätsbibliothek
Liebe Mitarbeitende der Universitätsbibliothek, liebe Studierende und herzliche Grüße an alle Anwesenden,
auch wir möchten der Universitätsbibliothek im Namen des AStA ganz herzlich zu ihrem 275. Geburtstag gratulieren. Für die Studierenden der TU Braunschweig ist diese Bibliothek eine der wichtigsten Anlaufstellen auf dem Campus. In der Vorlesungszeit führt uns unser Weg regelmäßig hierher und während der Klausurenphasen wird die Bib für so manche zum zweiten Zuhause. So sehr sogar, dass die Schließung der Bibliotheksräume während der Energiekrise ein großes Loch in den Alltag vieler Studierender gerissen hat. Dieses Zusammenspiel zwischen den Studierenden und dem Verwaltungsorgan Universitätsbibliothek ist vor allem der engagierten Arbeit der Mitarbeitenden zu verdanken. In den Begegnungen, die wir im Rahmen unserer AStA-Arbeit bisher mit Ihnen hatten, wurde unseren Anliegen immer Gehör geschenkt und eine Bearbeitung der uns wichtigen Themen war stets auf Augenhöhe möglich. Dafür möchten wir Ihnen sehr danken!
Auf dieser Grundlage der Begegnung war es überhaupt erst möglich, dass wir heute mit einem Redebeitrag vor Ihnen stehen und auch dass wir in der vergangenen Woche eine Führung durch die Räumlichkeiten der Bibliothek bekommen haben. Diese war für uns höchst interessant, denn in den Tiefen des Bibliotheks-Archivs fanden wir etwas für uns unvergleichbar Wertvolles: Eine Sammlung von 50 Jahren Archivmaterial der verfassten Studierendenschaft. Für uns war es natürlich ein absolutes Muss, uns da einen Überblick zu verschaffen, denn die Geschichte der Studierendenschaft der TU Braunschweig, ist das Erbe, das wir mit unserem Amt als AStA-Vorstände angetreten haben. Da dieses voller Windungen und Wirrungen ist und auf diese Weise höchst interessant und lehrreich, möchten wir Sie nun auf eine kleine Reise mitnehmen. Eine Reise in die letzten 20 Jahre AStA-Geschichte.
Wir starten im Jahr 2003. Nach ihrer Wahl zum AStA besteht die erste Amtshandlung des „New AStA“, so der selbstgewählte Name des neuen aus Burschen der Burschenschaften Germania und Thuringia bestehenden AStAs, darin, die Vollversammlung des autonomen FrauenLesben-Referats nicht anzuerkennen, das Referat aufzulösen und wie dem Haushaltsplan vom 07. April 2003 zu entnehmen ist, u.a. die Mittel des FrauenLesben-Referats, des AntiFaschismus-Referats und des Referats für Aufklärung und Emanzipation ersatzlos zu streichen. Mit einer Änderung der Mehrheitsverhältnisse im Studierendenparlament wird der New AStA bei den Wahlen zum Wintersemester 2003/2004 nicht wiedergewählt.
Wir gehen weiter in das Wintersemester 2011/2012 und werfen einen Blick in das Protokoll der 1. Ordentlichen Sitzung des Studierendenparlaments. Der neue amtierende AStA berichtet unter TOP 0c darüber, dass die Burschenschaft Thuringia illegal Flyer mit sexistischen Motiven in der Mensa verteilt. Zu diesem Zeitpunkt ist die Thuringia mit anderen Braunschweiger Burschenschaften über eine gemeinsame Liste im Studierendenparlament vertreten. Der AStA berichtet in der Studierendenparlamentssitzung zudem, dass er einen Antrag auf Aberkennung des Status als studentische Vereinigung für die Burschenschaft Thuringia beim TU Präsidium gestellt hat. Ein Erfolg konnte nicht verzeichnet werden.
2017. Die Burschenschaft Thuringia veranstaltet ihr sogenanntes „Deutschlandseminar“. Daran nehmen neben Burschenschaften, auch Parteikader der NPD und Mitglieder der rechts radikalen Identitären Bewegung teil. Der Spiegel zitiert einen Vortragenden: „Generell sei die Demokratie Blödsinn.“ Der AStA fordert erneut die Aberkennung des Status als studentische Vereinigung. Die Rechtsabteilung der TU Braunschweig sieht allerdings keine Verletzung der „Registrierordnung“ für studentische Vereinigungen.
2019. Die Burschenschaft Thuringia veranstaltet einen Liederabend mit der vom Verfassungsschutz beobachteten Identitären Bewegung. Der AStA startet mit der Unterstützung des Studierendenparlaments eine Petition zur Aberkennung des Status als studentische Vereinigung. Diese wird von einer großen Mehrheit der Studierenden und Organen der verfassten Studierendenschaft unterschrieben. Die Universität verspricht öffentlichkeitswirksam eine Aberkennung des Status zu überprüfen.
2023. Inzwischen ist die Burschenschaft Thuringia keine studentische Vereinigung mehr an der TU Braunschweig. Die Gründe, die letztlich zu diesem Entschluss geführt haben, sind unbekannt, ebenso das Datum des Entschlusses. Ob letztendlich die rechtsextremen Bestrebungen der Burschenschaft, der jahrzehntelange Druck des AStAs oder andere Gründe zur Aberkennung geführt haben, lässt sich für uns nicht mehr nachvollziehen, da die TU Braunschweig seit dem Sommer 2019 keine öffentlichen Mitteilungen mehr zu dem Thema getätigt hat und ansonsten zu dem Thema ebenfalls schweigt.
In diesem Wintersemester hat der AStA einen Vortrag mit einem externen Referenten zum Thema
„Rassismus in Burschenschaften“ veranstaltet. Eine Woche später wurde dem AStA mitgeteilt, dass er damit seine Neutralitätspflicht missachtet und Burschenschaften diskriminiert habe.
Die kurze Rückschau lässt erkennen, was für einen Unterschied es macht, welche Menschen bestimmte Positionen bekleiden. Die Macht zu haben, entscheiden zu dürfen, welche Töpfe mit Geld befüllt werden und welche nicht, welche Gruppen sich engagieren dürfen und welche nicht, welche Informationen mit der Öffentlichkeit geteilt oder als Werbezwecke verwendet werden. Dies alles sind Prozesse, die sehr versteckt im Hintergrund ablaufen und für einen Großteil der Gesellschaft gar nicht nachvollziehbar sind. Die Menschen, die über dieses Wissen und die Legitimation verfügen, deren Verantwortung ist es, dass diese Entscheidungen nicht missbraucht, sondern im höchsten Sinne aller getroffen werden.
Wir, die wir in genau diesen Entscheidungspositionen sind, müssen uns immer wieder daran erinnern, mit welcher Macht wir ausgestattet sind und welchen Einfluss wir dadurch auf die Gestaltung unserer Gesellschaft haben. Mit Macht geht Verantwortung einher. Und vielleicht liegt diese Verantwortung bei uns genau darin zu erkennen, dass Institutionen dazu tendieren, den Status Quo aufrechtzuerhalten, sodass sich Rassismus, Sexismus, Klassismus und viele weitere Diskriminierungsformen ungehindert reproduzieren können.
Und was unser Rückblick noch aufzeigt, ist die Trägheit mit der Veränderungen in unserer Gesellschaft von statten gehen. Jeden Tag müssen wir uns dafür einsetzen, dass Diskriminierung keinen Platz in unserer Gesellschaft oder an dieser Universität verdient. Jeden Tag müssen wir ein Zeichen für die Freiheit und Gerechtigkeit Aller setzen. Eine Freiheit, in der sich alle Menschen aussuchen können, welchen Bildungsweg sie einschlagen. Und die Gerechtigkeit, dass dieser Weg frei von Steinen ist.
Wir danken der Universitätsbibliothek für Ihren Einsatz, in der Sicherung dieses unfassbar wertvollen Wissens und danken Ihnen nun allen für Ihre Aufmerksamkeit!