Rede zum Hissen der Regenbogenflagge an der TU Braunschweig
55 Jahre ist der Aufstand im Stonewall dieses Jahr her. 55 Jahre, seit dem sich mutige queere Menschen in Brooklyn gegen eine diskriminierende Polizei und einen diskriminierenden Staat erhoben haben und für ihr Recht auf ein Leben in Liebe und Freiheit eingestanden sind. Seit dem ist viel geschehen. Der CSD erinnert jedes Jahr an dieses Ereignis und ist für viele Menschen nicht nur eine Zeit des Erinnerns sondern auch eine Gelegenheit das queere Leben zu zelebrieren, sichtbar zu machen. Immer mehr Pride- und Progress-Flags schmücken die Straßen und Gebäude auch hier in Deutschland. Das ist schön und das ist gut. Das gibt einem das Gefühl von Fortschritt, von einer heilen Welt in der sich niemand verstecken muss, in der sich queere Menschen offen auf der Straße zeigen können ohne Anfeindungen befürchten zu müssen, in der alle Sexualitäten, Geschlechter-Identitäten und Familien Modelle nicht nur akzeptiert sondern auch zelebriert werden.
Auch wir stehen heute hier um die Pride-Flagg zu hissen, eine Geste mit der sich auch die TU Braunschweig mit der queeren Bewegung solidarisch zeigen will. Aber was heißt Solidarität wirklich? Wie sieht wahre Unterstützung aus?
Wir leben leider auch heute, auch hier nicht in einer heilen Welt. Hier wo Pride-Flags heruntergerissen und verschändelt werden. Hier wo vor den Räumen der Homosexuellen- Unigruppe randaliert wird. Hier wo rechte Parolen und Sticker die Wände unserer Toiletten verschmutzen.
In 55 Jahre mag viel passiert sein und das hissen einer Flagge mag eine schöne Geste sein. Aber darauf dürfen wir uns nicht ausruhen. Denn was diese Flagge auf dem Forums-Platz wirklich sein sollte ist ein Versprechen. Ein Versprechen, dass die TU alles daran setzt den Campus zu einem Ort zu machen an dem Menschen in Freiheit leben, lernen und lieben können. Dass die Menschen die hier ausgebildet werden die Gesellschaft zu einer besseren wandeln. Das queere Menschen sich in diesem Raum voll entfalten können und beschützt werden vor Hass und Hetze. Ein Versprechen, dass es nicht nur bei einer Flagge bleibt.
Eine mächtige Institution wie die TU muss sich ihrer Verantwortung und ihres Einflusses bewusst sein, muss das Geld, die Kapazitäten, die Ressourcen aufbringen um nachhaltige Veränderungen zu erwirken. Muss in den eigenen Reihen anfangen. Muss sich fragen, ob sich queere Menschen am Campus uneingeschränkt wohl und sicher fühlen können, ob Lehrenden wie Studierenden klar ist, dass diskriminierendes Verhalten auf allen Ebenen geächtet und geahndet wird, ob es das auch wirklich wird. Muss sich fragen, welches Bild binäre Toiletten und Beschilderungen vermitteln.
Wir dürfen uns nichts vor machen, der Weg ist noch weit und hart. Heute zelebrieren wir, alles was schon erreicht wurde, was der Kampf, der vor 55 Jahren angestoßen wurde, erwirken konnte und alle Menschen die daran mitgewirkt haben, die sich damals wie heute für eine bessere, offenere, liebevollere Welt einsetzen. Aber in Zeiten in denen in Deutschland, in Europa und auf der ganzen Welt immer mehr rechte Gruppen ihr hässliches Haupt erheben ist es umso wichtiger, das schon erkämpfte zu bewahren, zu beschützen, zu verfechten und das noch zu erreichende umso ambitionierter und zielstrebiger zu verfolgen.
Wir alle haben eine Verantwortung. Mögen uns diese Flaggen jeden Tag daran erinnern.